Bayerisches Staatsministerium für
Umwelt und Verbraucherschutz
z.Hd. Frau Staatsministerin Ulrike Scharf
Rosenkavalierplatz 2
81925 München 6. Juli 2016
Hochwasserschutz – Ortsumfahrung Sulzbach am Main –
Sehr geehrte Frau Ministerin Scharf!
„Hochwasserschutz ist Menschenschutz“, so lautet die Überschrift der Pressemitteilung Ihres Ministeriums zur Einweihung des dritten und letzten Bauabschnittes der neuen Hochwasserschutzanlagen in Miltenberg. Unsere Kreisstadt ist jetzt „vor einem hundertjährigen Hochwasser geschützt“, so betonten Sie vor Ort. Eine gute Nachricht für alle Miltenberger Bürger.
Leider sieht es ein paar Kilometer mainabwärts mit dem Menschenschutz schon nicht mehr so rosig aus. Durch die Hochwasserschutzanlagen mainaufwärts steigt die Gefahr für die abwärts liegenden Gemeinden am Fluss. Niedernberg sei hier besonders genannt. Die Gemeinde ist bereits heute mit einem erheblichen Hochwasserrisiko belastet. Zudem ist es der aktuelle politische Wille, dass auf der gegenüberliegenden Mainseite eine Umgehungsstraße im Hochwasserschutzgebiet gebaut werden soll (7. Ausbauplan für bay. Staatsstraßen, Projekt AB170-07, in der Dringlichkeit 1). Diese weitere Flächenversiegelung verschärft die latent vorhandene Gefahr für die Anwohner am Main weiter.
Mit Interesse haben wir deshalb Ihre Rede vom 9.6.2016, im Rahmen der Aktuellen Stunde im Bayerischen Landtag zur Hochwasserkatastrophe, verfolgt. Hierin erklärten Sie, Klimapolitik sei „Verantwortungspolitik“ und man müsse die Menschen vor 100jährigen Hochwassern bestmöglich schützen. Die Zuschüsse und Fördermittel der Staatsregierung für diesen Hochwasserschutz werden in diesem Zusammenhang immer wieder hervorgehoben. Gleichzeitig legt das Hochwasserschutz Aktionsprogramm 2020plus zusätzlich, als Vorsorge, auch Wert auf das Freihalten von Überschwemmungsgebieten von weiterer Bebauung. Flächenvorsorge sei ein wichtiges Ziel der Hochwasserschutzpolitik des Freistaats und das Ausweisen von Überschwemmungsgebieten habe sich als besonders effektiv erwiesen, um hochwassergefährdete Flächen konsequent von neuer Bebauung freizuhalten, sodass dort neue Risiken erst gar nicht entstehen, so kann man hier lesen.
Umso weniger ist es für uns zu verstehen, dass in unserer Heimatgemeinde derzeit eine Umgehungsstraße durch ein Hochwasser- und Trinkwasserschutzgebiet geplant wird. Die Stellungnahmen des Wasserwirtschaftsamtes in Bezug auf die Nord-/Süd-Trassen waren in der Vergangenheit eindeutig negativ und diese Einschätzungen hätten sich, auf Nachfrage von Herr Dr. Fahn (MdL), auch nicht geändert. Dennoch wird die Planung jener Trassenvarianten noch immer weiter verfolgt. Auf eine Schriftliche Anfrage des Landtagsabgeordneten Dr. Fahn, hinsichtlich der nicht durchgeführten Raumordnung in Bezug auf die Planungen im Hochwasserschutzgebiet, verfasste die Oberste Baubehörde im Staatsministerium eine Antwort, die so gar nicht zur konsequenten Freihaltung hochwassergefährdeter Flächen passt. Schon vor der Stellungnahme der Träger öffentlicher Belange wird hierin das nicht durchgeführte Raumordnungsverfahren damit begründet, dass die Straße nur am Rande des festgesetzten Hochwasserschutzgebietes verlaufen würde und Ausgleichsflächen ausgewiesen werden könnten.
Sehr geehrte Frau Ministerin Scharf, jede noch mögliche Nord-/Süd-Variante der geplanten Ortsumfahrung führt nicht nur durch das Überschwemmungsgebiet eines Gewässers erster Ordnung und Trinkwasserschutzgebiete der Zone II, sondern greift auch in eine intakte Auenlandschaft ein. Zusätzlich wären auch Gewässer dritter Ordnung, die in Bayern von den Sturzfluten der letzten Wochen besonders in Mitleidenschaft gezogen wurden, betroffen. Wir sind der Meinung, dass Fördermittel und Zuschüsse zum Hochwasserschutz sicher ein probates Mittel sind, die Bürger vor Hochwasserkatastrophen zu schützen. Öffentliche Mittel sinnvoll einzusetzen bedeutet aber vor allem, die vorhandenen Schutzgebiete konsequent, im Rahmen der bereits festgelegten Hochwasserschutzgebiete, von Bebauung freizuhalten und nicht für jedes Projekt das Flächen versiegeln würde, schlussendlich in der Planfeststellung „Gründe des Wohls der Allgemeinheit“ anzuführen. Die letzten Hochwasserkatastrophen haben gezeigt, dass die konsequente Einhaltung der Vorgaben, die die Wahrung der festgesetzten Hochwasserschutzgebiete sichern sollen, das Allgemeinwohl am effektivsten schützen würde. Am Ende des Hochwasserschutz Aktionsprogramm 2020plus wird unter „Vermeidung“ noch einmal zusammengefasst, mit welchen Maßnahmen dies erreicht werden soll: „Freihalten von Überschwemmungsgebieten“, „ Weniger schadensanfällige Nutzung“ und „Entfernung/Verlegung gefährdeter Nutzung“.
In Ihrer Rede im Plenum sprachen Sie davon, dass wir für die Klimapolitik gegenüber unseren Kindern und Enkeln Rechenschaft ablegen müssten. Die Argumentation wird schwierig, wenn man den Kindern erklären muss, dass zwar ihre Sandkästen und Schaukeln aus dem Überschwemmungsgebiet weichen müssen, eine Umgehungsstraße jedoch NICHT überschwemmungsfrei genau in ein solches Schutzgebiet gebaut werden darf. Es stellt sich dem Bürger in diesem Kontext übrigens die Frage, ob eine vorhersehbare Überspülung bei Hochwassern nicht auch eine absehbare „schadensanfällige Nutzung“ ist und ob die Reparatur der Hochwasserschäden an dieser Infrastruktur dann wohl aus dem Hochwasser-Hilfsfonds beglichen wird.
In Anbetracht der aktuellen Hochwasserproblematik in Bayern sehen wir aus den genannten Gründen die Planungen einzelner Varianten der Ortsumfahrung mit Sorge. Dem trägt im Übrigen ein einstimmiger Gemeinderatsbeschluss in Niedernberg Rechnung, der besagt, dass die Gemeinde mit allen rechtlichen Mitteln gegen den Bau einer Nord-/Süd-Trasse in Sulzbach vorgehen wird, zumal diese auch über deren Gemarkung führen würde. Aus diesem Grund bitten wir Sie, den bestmöglichen Schutz vor 100jährigen Hochwassern, den Sie in Ihrer Rede versprochen haben, auch im Rahmen dieser Planungen vehement zu verfolgen und sich für uns einzusetzen.
Gerne begrüßen wir Sie zu einem „Vor-Ort-Termin“ in Sulzbach am Main und Niedernberg, um Sie durch das schützenswerte NATURA-2000-Gebiet der Mainauenlandschaft von Sulzbach führen, das die Regierung von Unterfranken kürzlich noch als „Unterfrankens Juwelen“ bezeichnet hat und welches es nach dem Bau einer Nord-/Süd-Trasse so nicht mehr geben wird.
Mit freundlichen Grüßen
Marion Gado Im Auftrag der BI „Lebenswertes Sulzbach“, Keine Nord-Süd Umgehung, Erhalt der Mainaue
Wir werden in dieser Sache unterstützt durch: – Herrn Dr. Hans Jürgen Fahn, MdL – die BI Niedernberg gegen Nord-Süd-Trasse in Sulzbach am Main – den Bund Naturschutz, Kreisgruppe Miltenberg – den Landesbund für Vogelschutz in Bayern e.V. (LBV)
Durchschriftich an: Herrn Landrat Scherf, Gemeinde Niedernberg, Herrn Weiß (Main Echo)